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Restauration der alten Ordnung
OFFIZIELLE ZAHLEN ZUR WAHLBETEILIGUNG UMSTRITTEN
Rund 54 Millionen Wahlberechtigte waren an die Urnen gerufen, doch blieb die Wahlbeteiligung gering. Die Interimsregierung hatte vor Beginn der Abstimmung ebenso wie Ägyptens Staatsrundfunk und das Gros der Privatpresse massiv für eine hohe Wahlbeteiligung geworben, doch blieben viele Wahlberechtigte aus Frust über die unabwendbare Installation eines feststehenden Wahlsiegers den Urnen fern. Für einen Großteil der ÄgypterInnen bedeutete die Wahl el-Sisis jedoch vor allem ein Ruf nach Stabilität, eine hohe Z
Die Regierung ließ nichts unversucht die Menschen zur Stimmabgabe zu bewegen, ist die Wahlbeteiligung aufgrund des praktisch bereits im Vorfeld feststehenden Siegers der wichtigste Gradmesser für die Legitimität des neuen Staatspräsidenten. Das PEC verlängerte daher kurzfristig die Öffnungszeiten für Wahllokale, erklärte den zweiten Wahltag zum Feiertag und erweiterte den eigentlich nur für den 26. und 27. Mai terminierten Urnengang schließlich um einen weiteren dritten Tag. Die Regierung ging gar so weit m
JURISTISCHE RAHMENBEDINGUNGEN UND POLITISCHER KONTEXT DES URNENGANGS
Mit der Wahl Abdel Fattah el-Sisis verfügt Ägyptens Militärapparat erstmals seit dem Sturz Hosni Mubaraks wieder über einen partiell demokratisch legitimierten Präsidenten. Mubaraks Nachfolger Hussein Tantawi war ebenso wenig demokratisch legitimiert wie der seit dem 3. Juli 2013 amtierende Übergangspräsident Adli Mansour. Dennoch ist die rechtliche Grundlage für die Wahl el-Sisis juristisch umstritten. Die am 18. Januar 2014 in einem Referendum angenommene neue Verfassung Ägyptens ist neben dem Präsidialde
Zwar wurde die Verfassung beim Referendum mit rund 98 Prozent bestätigt, doch entbehrte das politische Umfeld des Urnengangs jedweder demokratischer Grundlage. Ägypten hatte zum Zeitpunkt der Abstimmung eine turbulente innenpolitische Phase hinter sich. Auf Mursis Absetzung und die Installation Mansours als Staatspräsident folgten monatelange Proteste der Muslimbrüder, die blutige Auflösung ihrer Protestcamps in Kairo und Giza und ein dreimonatiger Ausnahmezustand. Innen- und Verteidigungsministerium gingen
Nach Annahme der Verfassung erließ Mansour im März 2014 ein Dekret, das mit Bezug auf Ägyptens neue Verfassung Regeln für die geplante Präsidentschaftswahl festlegte. Wenig später verabschiedete Mansour ein umstrittenes zweites Dekret, das Entscheidungen der PEC für juristisch unantastbar erklärte. Die streitbare Immunisierung der PEC sorgte für heftige Kritik, das Dekret blieb jedoch unverändert in Kraft. Die Bewegung des 6. April war die einzige politische Kraft am Nil, die die Präsidentschaftswahl aus ve
UMSTRITTENE PERFORMANCE DER
EU-WAHLBEOBACHTERMISSION
Erstmals besuchte eine offizielle EU-Beobachtermission Ägypten. Die EOM stand jedoch kurz vor dem Scheitern, nachdem Kairos Flughafensicherheit die Freigabe für technische Ausrüstung verweigerte. Die EU verkündete daraufhin, die EOM zu einem Wahlbeurteilungsteam zu degradieren. Einen Tag später erfolgte die Freigabe für die Ausrüstung und Chefbeobachter Mario David erklärte, die EOM könne doch wie geplant landesweit stattfinden, nachdem die EU noch kurz zuvor erklärt hatte, der Zeitrahmen für eine vollwerti
Fraglich bleibt zudem, welchen Zweck die EU der Beobachtermission zuschreibt. Im Vorfeld hatte die EU EOM erklärt, sich weder in den Wahlprozess einmischen noch den Wahlgang oder die Resultate legitimieren zu wollen. Eine erste Stellungnahme der EU EOM nach dem Urnengang weist jedoch daraufhin, dass es der EU durchaus darum geht, der Wahl el-Sisis eine gewisse Legitimität zu verleihen, schließlich ignorierte die EOM zahlreiche Unregelmäßigkeiten während der Wahl ebenso wie strittige Entscheidungen der PEC.
Im Gegensatz zu den zweifelhaften Stellungsnahmen der EU EOM zur Präsidentschaftswahl am Nil legte die US-Menschenrechtsorganisation Democracy International (DI) ein glaubhafteres Positionspapier zu den ersten Ergebnissen des Urnengangs vor. DI bezeichnete darin das politische Umfeld der Wahl als »repressiv” und kritisierte neben der Verlängerung der Abstimmung das umstrittene Protestgesetz sowie die einseitige und parteiische Medienberichterstattung zugunsten el-Sisis. Auch das Carter Center hatte Wahlbeob
BOYKOTTKAMPAGNEN BLEIBEN LEISE
Während sich zahlreiche oppositionelle Parteien aus dem liberalen und linken Lager der Kampagne Sabahis angeschlossen hatten, boykottierte neben der NASL auch die Partei Starkes Ägypten (Misr al-Qaweya) des Muslimbrüder-Abweichlers und Präsidentschaftskandidaten von 2012, Abdel Moneim Abu Fotouh die Wahl. Er bezeichnete den Wahlgang als «Farce», während die gerichtlich verbotene liberale Jugendbewegung des 6. April als einzige politische Kraft am Nil die Abstimmung aus verfassungsrechtlichen Gründen boykott
«DEMOKRATIE IM NAHEN OSTEN» – ABDEL FATTAH EL-SISI
Am 7. Juni wurde Ägyptens neuer Präsident el-Sisi offiziell vereidigt. Er gilt als Militärkandidat und Vertreter des alten Regimes, doch wofür steht der Ex-Armeechef und welche politischen Ziele verfolgt der 59 jährige? El-Sisis Wahlkampagne und seine 2006 am US Army College in Pennsylvania verfassten Abhandlung «Democracy in the Middle East» sind mehr als aufschlussreich für eine Bewertung seiner politischen Ausrichtung. Als ehemaliger Chef des Militärgeheimdienstes gehörte er schon vor der Revolution zum
In dem 11-seitigen Essay befasst er sich mit Herausforderungen und Risiken einer demokratisch geführten Regierungsform im Nahen Osten, der er grundsätzlich skeptisch gegenübersteht. Fragmente und Leitmotive des Textes tauchten wiederholt in seiner Wahlkampagne auf, was den Schluss zulässt, dass die Inhalte des Papiers durchaus ernst zu nehmen sind. So betont el-Sisi, der Ölreichtum der Region, der Nahost-Konflikt und die Bedeutung des Suez-Kanals für den Westen seien wichtige Gründe für Westmächte in der Re
DER REGIME-KANDIDAT UND SICHERE WAHLSIEGER – ABDEL FATTAH EL-SISI
Fragmente dieser Abhandlung tauchten in el-Sisis Wahlkampagne wieder auf. Immer wieder bediente er in Interviews das Bild einer demokratieunfähigen ägyptischen Gesellschaft. Zwei Wochen vor der Wahl sagte er, es würde 20 bis 25 Jahre oder noch länger dauern, bis das Land eine funktionierende Demokratie hervor bringen würde. Dies wiederholte er während des Wahlkampfes mehrfach. Während seiner Wahlkampagne weigerte sich el-Sisi, sein Programm näher zu erläutern. Dies begründete er mit einer angeblichen Gefahr
Selbstredend versprach el-Sisi im Wahlkampf Reformen, Investitionsprogramme für den Bildungssektor und die Wirtschaft sowie ein Austeritätsprogramm zur fiskalpolitischen Stabilisierung des Landes. Seine Ideen zur Finanzierung dieser Investitionsprogramme muten jedoch abenteuerlich an. Die Finanzmittel zu deren Realisierung sollen mit Überweisungen der im Ausland lebenden ägyptischen Staatsbürger, ausländischer Direktinvestitionen sowie Zuwendungen befreundeter Staaten wie Saudi-Arabien gedeckt werden. El-Si
El-Sisi konnte sich schon im Vorfeld des Urnengangs eine breite politische Unterstützung sichern. Neben der liberalen Partei der Freien Ägypter und anderer wirtschaftsliberaler Kräfte des Landes, genoss el-Sisi die Rückdeckung der salafistischen Partei Das Licht, die gemeinsam mit Mursis FJP zwei Jahre lang das politische Geschehen in Ägypten bestimmte und kurz vor dessen Sturz die Seiten gewechselt hatte. Auch der staatlich kontrollierte Gewerkschaftsverband ETUF schloss sich el-Sisis Kampagne an, während
El-Sisis Wahlkampagne gab nach eigenen Angaben 1,2 Millionen Euro aus, während Hamdeen Sabahi grade mal 100.000 Euro in den landesweiten Wahlkampf steckte. Neben einseitiger Berichterstattung in Staats- und Privatmedien zugunsten el-Sisis war das Rennen um Ägyptens Präsidentenamt von Anfang an unfair. Bemerkenswert war der Imagewandel, den el-Sisi während des Wahlkampfes vollzog. «Nach dem 3. Juli 2013 tauchten überall im Land Plakate el-Sisis auf, er war omnipräsent in der Öffentlichkeit. Auf den Bildern p
HAMDEEN SABAHI – STRATEGISCHE ODER HOFFNUNGSLOSE GEGENKANDIDATUR?
El-Sisis aussichtsloser Gegenkandidat Hamdeen Sabahi wurde von vielen Seiten für seine Teilnahme an der jüngsten Wahlfarce am Nil kritisiert, dennoch entschied sich der populäre Linkspolitiker anzutreten. Schon 2012 stand Sabahi im Rennen um Ägyptens höchstes Staatsamt und verpasste damals überraschend knapp die Stichwahl. Seither ist er zu einer der wichtigsten Oppositionsfiguren aufgestiegen. Während el-Sisi einen virtuellen Wahlkampf führte, suchte Sabahi den Kontakt zur Basis und führte eine volksnahe K
STATUS QUO AM NIL – ÄGYPTENS MILITÄR BLEIBT AM RUDER
El-Sisis Wahl zum neuen Präsidenten hat die Uhren am Nil zurückgedreht. Mit dem Ex-SCAF-Mitglied verfügt die Armee nach dem Sturz Mubaraks erstmals wieder über einen demokratisch legitimierten Vertreter im Präsidentenamt. Da el-Sisi im Wahlkampf Ägyptens Gesellschaft die Eignung, demokratisch regiert zu werden, absprach, repressive Instrumente wie das Protestgesetz erhalten will und wirtschaftlich auf altbekannte Rezepte setzt, ist zu erwarten, dass Ägyptens Militär seinen politischen Einfluss unter el-Sisi
Sofian Philip Naceur ist freier Journalist und lebt und arbeitet in Kairo. Er berichtet aus Ägypten und Algerien unter anderem für die Junge Welt aus Berlin und die Wochenzeitung aus Zürich. Naceur ist Mitglied bei Attac und der Linkspartei im Kreisverband Marburg-Biedenkopf.
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Restauration der alten Ordnung : Präsidentschaftswahlen in Ägypten / von Sofian Philip Naceur
Place and Date of Creation
Berlin
2014
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